Wandern in Zeiten von Corona ist wie Wandern in Zeiten vor Corona. Man entscheidet sich für eine bestimmte Tour, schmiert Butterbrote, füllt die Trinkflasche, und dann kann es losgehen. Es ist
Montagmorgen, die Sonne strahlt vom Himmel, und wir haben uns mit Freunden verabredet. Wir wollen nach Hungen und dort die Schäferrunde laufen.
Unsere Tour beginnt am Bürgerhaus und wird uns nach ca. drei Stunden wieder zurück in die Schäferstadt führen. Die Luft ist noch kühl, aber bald wird es heiß werden. Wir laufen an duftenden
Holunderbüschen vorbei Richtung Wald.
Das Coronavirus ist für eine Weile aus unseren Gedanken verschwunden; auch in den Nachrichten stand die Pandemie an diesem Morgen nicht mehr an erster Stelle. Und doch sind wir plötzlich wieder
beim Thema. Denn irgendwie hängt alles mit allem zusammen.
Im Mittelalter wütete weltweit die Schwarze Pest, eine Pandemie, die zwischen 1346 und 1353 auch weite Teile Europas betraf. Als Auslöser gilt ein Bakterium, das "Yersinia pestis", das im Gebiet
des heutigen Deutschlands jeden zehnten Einwohner dahinraffte. Forscher vermuten, dass die Urbarmachung von Land, das Entstehen neuer Städte und das Wachstum der alten Städte, zum Verbreiten der
Seuche beigetragen haben.
Die Corona-Pandemie hat mittlerweile weltweit über 6 Millionen Infektionen ausgelöst und 375.683 Todesfälle verursacht. Im Vergleich zur Schwarzen Pest klingt dies noch harmlos. Und doch ist die
gegenwärtige Pandemie kein „Schwarzer Schwan“, kein unwahrscheinliches Jahrhundertereignis, sondern eine durch die Evolution begünstigte Seuche. Der Mensch ist Verursacher und Betroffener
zugleich.
Wir wandern entlang uralter Eichenwälder. Einige besonders alte und prächtige Eichen im Wald um Hungen sind „Huteichen“. In ihrem Schatten hüteten die Schäfer in früheren Zeiten ihre Schafe. Eine
besonders große und alte Eiche, die Messfelder Eiche, steht etwa zwei Kilometer nordwestlich von Hungen am Waldrand auf einer Lichtung. Sie ist etwa 350 Jahre alt. Ihr Stamm hat einen Umfang von
sieben Metern und die üppige Krone ragt knapp 20 Meter in die Höhe. In Schatten dieses imposanten Naturdenkmals machen wir eine Pause.
Vieles hat diese Eiche überdauert. Kriege, Hungersnot und wirtschaftliche Einbrüche. Die jetzige Pandemie wird ihr auch nichts anhaben.
Unterdessen vermelden die Nachrichten einen Anstieg der Corona-Infektionen weltweit. Der Pfingsttourismus in Deutschland bringt Ostseebäder in Bedrängnis und in den USA hat Mr. Trump das in der
Wirksamkeit umstrittene Hydroxychloroquin gegen Covid-19 nach Brasilien geschickt. Entgegen der Aussagen wissenschaftlicher Experten! Der deutsche Virologe Hendrick Streeck sagt: „Das Virus ist
da und wird bleiben.“ Die Menschen müssen sich damit arrangieren. Auch wir im Schatten der Eiche.

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